Christsein ist keine Methode, sondern eine Beziehung – eine Liebesbeziehung mit Jesus. Mit Ihm leben, Ihn lieben, kennen, begreifen und verstehen, das ist ein lebenslanger Prozess, um den es in diesem Buch geht.
Sicher hat das Hohelied für das jüdische Volk eine ganz spezifische Bedeutung. Auch als ein Beispiel für die Schönheit des Liebesglücks, das eines der großen Geschenke Gottes innerhalb der Ehe ist, empfinde ich es als sehr wertvoll. Doch so, wie es mir offenbart wurde, durfte ich es als ein Bild für Christus und Seine Braut, die Gemeinde, verstehen. Mehr noch: Vor mir entfaltete sich auch mein ganz persönlicher Lebenslauf, wie er begann und wo er noch hinführen wird. Das konnte ich bisher noch in keinem Aufsatz nachlesen!
Dieses Buch war nicht geplant. Erst als einige Personen sich die Predigten von den Audiomitschnitten abschrieben, sah ich mich dazu veranlasst, doch ein Manuskript zu entwerfen. Am Stil dieses Buches ist zu erkennen, dass es sich um überarbeitete Predigten handelt. Auch wenn die allegorische Deutung nur einen Teilaspekt beleuchten kann, wird doch der Zuhörer zum Teil ganz persönlich angesprochen.
Ein Liebeslied
Das große unumstrittene Thema der Bibel ist das der Liebe: „Denn so hat Gott die Welt geliebt“, heißt es in Joh 3,16, „dass Er seinen eingeborenen Sohn gab ...“ Dieser Sohn kam in diese Welt und
hat uns die Liebe des Vaters gezeigt. Er ging ans Kreuz und breitete Seine Arme aus. Nicht als Schuldiger oder Märtyrer starb Er, sondern sündlos. Sein Leben gab Er freiwillig. Und dann sprach
Er Vergebung aus. Das Kreuz Jesu ist keine Drohung, sondern das Liebeszeichen Gottes. Ein einzelnes Leben wird nicht reichen, um diese göttliche Liebe zu ergründen. Gleich zu Beginn, wenn
ein Mensch zum ersten Mal damit in Berührung kommt, wird er verändert. Es kommt ein Umschwung. Etwas Neues wird geboren. Später, nach längerer Zeit der Gemeinschaft mit Christus, erkennen wir,
dass in der Bedeutung Seiner Liebe das wahre Geheimnis des Lebens steckt.
Diese Liebe verlangt uns täglich eine Entscheidung ab. Jesus erklärte ganz offen: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater
geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren.“ (Joh 14,21) In diesem Vers finden wir den Herzschlag Jesu: Obgleich Er uns schon in Seinem
stellvertretenden Tod die Liebe Gottes offenbart hat, will Er uns noch mehr Liebe zeigen. Er selbst will sich uns zu erkennen geben und bricht damit ein für alle Mal mit jenem Mythos des
verborgenen Gottes, der es angeblich genießt, umrätselt zu werden. Wer, was, wo, wie ist Gott? Nein, darüber brauchen wir nicht länger spekulieren. Christus selbst verspricht dem Jünger: „Ich
werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren.“
Wie alles begann
Als ich im Jahr 1992 Gott fragte, wie wir mehr über die Beziehung mit Ihm erfahren können, führte Er mich zum Hohen Lied, zu diesem alttestamentlichen poetischen Buch des Königs Salomo. Bis zu
jenem Zeitpunkt hatte ich gerade ein paar Promille von dem verstanden, was in diesem Buch der Bibel wirklich ausgedrückt wird. So fragte ich: „Gott, gibt es nicht einen einfacheren Weg, um unsere
Beziehung zu beschreiben? Findest du nicht auch, dass dies nur etwas für Spezialisten ist?“ Doch dann zeigte Er mir, dass Sein Wort wirklich nicht schwer zu verstehen ist, wenn es das, was man
gerade erlebt, ausdrückt. Lies es betend, forschend, suchend. Ich bin sicher, dass auch dein geistlicher Werdegang dort zu finden ist.
Das Hohelied Salomos ist ein Liebeslied zwischen Jesus und Seiner Braut, in dem Salomo für unseren Herrn Jesus steht und Sulamith für die Braut Jesu, die wahre christliche Gemeinde. Heute leben
wir in einer Gesellschaft, die stark spaß- und erlebnisorientiert ist – auch in geistlichen Dingen. Bleib nicht dabei stehen, lediglich für äußere Dinge sensibilisiert zu sein, für sichtbare
Berührungen mit dem Heiligen Geist, für Manifestationen der Kraft, Heilungen, Prophetie usw. Viele können es sich kaum noch vorstellen, von Jesus allein fasziniert zu sein. Doch du musst für dich
selbst diesen faszinierenden Christus entdecken! Nur so kannst du an dem teilhaben, was heute überall auf der Welt geschieht: die Vorbereitung der Braut Jesu für Sein Kommen. Schließlich wirst du
in diesen Chor der Braut einstimmen können und singen: “Komme bald, Jesus, komme bald!” - Dies wird das Erkennungsgebet der wahren Braut Jesu sein.
Über ein junges Paar, das auf „Wolke sieben“ schwebt, hört man gelegentlich den Ausspruch: Die leben von Luft und Liebe. Doch für einen soliden, bibelfesten Christen, glauben manche Leute, kann
dies nur von nebensächlicher Bedeutung sein. Warum aber betonte Paulus es so sehr, dass wir „in Liebe gewurzelt und gegründet“ sein mögen (Eph 3,17)? Warum betete Er so intensiv darum, dass
unsere „... Liebe noch mehr und mehr überreich werde in Erkenntnis und aller Einsicht, damit wir prüfen können, worauf es ankommt ...“ (Phil 1,9-10)? Kommt es wirklich auf diese Art von Liebe an,
die Paulus hier meint? Dann können wir uns sicher sein, dass wir unsere Zeit nicht damit verschwenden, wenn wir uns mit diesem Thema befassen.
In Liebe verwurzelt
Verliebt, verlobt, verheiratet – das ist die Reihenfolge, nicht wahr? Doch es erstaunt ein wenig, dass es in unserer Beziehung mit Christus ganz anders verläuft. Sie beginnt nämlich gleich mit
der Verlobung. Dies liegt wohl daran, dass man Jesus nicht als Lebenspartner oder wie eine „Urlaubsflamme“ testen oder ausprobieren kann. Unser Leben mit Ihm kann nur mit einer klaren
Entscheidung für Ihn und einer totalen Hingabe beginnen – mit der sogenannten „Bekehrung“, wie wir sagen. Den Gläubigen in Korinth wurde deshalb mitgeteilt, dass sie bereits als „Jungfrau“ (2Kor
11,2) mit Christus verlobt seien! Tatsächlich hat sich die wahre Braut Christi mit Jesus verlobt, als sie von neuem geboren wurde. Und ihre Hochzeit steht ihr bevor. Diese kann sie kaum erwarten
und ruft deshalb andauernd zu ihrem Bräutigam: Bitte komm bald! – „Komm!“ (Offb 22,17) Natürlich würde Jesus nichts lieber tun als das, doch auch in diesem Punkt ordnet Er sich Seinem Vater
völlig unter. Deshalb kennt Er für dieses absolute „Highlight“ der Geschichte weder Tag noch Stunde (Mk 13,32).
In den letzten Tagen vor Seiner Wiederkunft geschieht aber noch etwas, was Jesus prophetisch so beschreibt: „... weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe der meisten erkalten“ (Mt
24,12). Hier finden wir das griechische Wort agapé, ein Wort, das in der Bibel grundsätzlich für göttliche Liebe reserviert ist. Der Mensch, der Christus nie wahrhaft begegnet ist, hat diese
Liebe weder kennen gelernt, noch ist er dazu in der Lage, sie auszudrücken. Daher spricht Christus von denen, die Seinen Namen tragen – von Christen also! In ihnen wird die Liebe erkalten. Kaum
vorstellbar? Sicher, aber dieser Prozess hat schon begonnen! Mir ist bewusst, dass dies eine erschütternde Tatsache ist. Jesus war kein Schönwetterprophet. Er zeigt uns, was in Wahrheit auf uns
zukommt: Am Ende der Zeiten wird der Druck des Bösen gegen uns so sehr zunehmen, dass wir uns entweder vom Herrn abwenden oder voll auf Ihn werfen. Die „Kalten“ werden immer kälter und die
„Heißen“ immer heißer! Alle, die nicht abtrünnig werden, werden zusammengeschweißt. Deswegen entstehen zur Zeit überall unter den wahren Gläubigen Netzwerke von ehrlichen, authentischen
Beziehungen. Diese Christen werden sich weder von Christus abwenden noch ihren Glauben verleugnen. Und ich bin Gott so dankbar dafür, dass ich inmitten einer Zeit leben darf, in der die
Verschmelzung Seiner weltweiten Gemeinde stattfindet.
Manchmal lässt der Herr deshalb auch äußeren Druck zu. Wenn jemand zum Beispiel wegen seines Glaubens im Gefängnis sitzt, weil er Jesus Christus als Herrn bekannt hat, ist es wirklich nicht mehr
wichtig, ob er Katholik oder Charismatiker ist, Baptist oder Pfingstler. Unter solchen Umständen ist es eher belanglos, welcher Denomination er angehört. Schon heute erkennen wir, dass dieser
Druck von außen auf die Gemeinde bereits in vielen Teilen der Erde zugenommen hat.
Der Druck von „innen“ kann mit dem Begriff „Abtrünnigkeit“ charakterisiert werden. Als Paulus in 2. Thess 2,3 von der Wiederkunft Christi schrieb, erklärte er, dass der sog. „Tag des Herrn“ erst
dann kommen wird, wenn die „Apostasia“ oder Abtrünnigkeit gekommen sei. In den meisten Übersetzungen finden wir in diesem Zusammenhang das Wort „Abfall“, der Abfall vom Glaubensgehorsam. Das
griechische Wort apostasia taucht nur noch an einer anderen Stelle der Bibel auf, nämlich dort, wo Paulus vorgeworfen wird, er ziehe die Menschen vom Gesetz des Moses weg. Das Wort apostasia
bezeichnet somit die Ablehnung einer offenbarten biblischen Wahrheit. Diese Abtrünnigkeit im Leib Christi wird kommen. Ich denke, wir leben bereits in dieser Zeit. In unserer Generation wurden
bereits die großen, einfachen, grundlegenden Wahrheiten des christlichen Glaubens von unzähligen Kirchenleuten offiziell geleugnet.
Paulus macht im weiteren Verlauf von 2. Thess 2 deutlich, dass diese Abtrünnigkeit zweierlei hervorbringen wird: den Antichristen und die „falsche Gemeinde“, die sog. Hure. Am Ende der Zeit gibt
es nach Offenbarung 17 nur noch zwei Gruppen innerhalb der Christenheit: die Braut Christi und die Hure. Jeder, der den Namen „Christ“ trägt, wird sich entweder in der einen oder anderen Gruppe
wiederfinden. Wenn du nicht zur Hure gehörst, dann gehörst du zur Braut, wenn nicht zur Braut, dann zur Hure!
Schließlich wird jeder von uns irgendwann mit der Frage konfrontiert werden: Gehöre ich wirklich zur Braut Jesu? Eines müssen wir uns immer wieder klar machen: Letzten Endes unterscheiden sich
beide nur durch ihre Liebe zu Christus. An dieser wahren Liebe werden die Gläubigen nicht nur von außen erkannt. Sie wird auch das Erkennungszeichen der wahren Gläubigen untereinander sein. Ein
Beispiel hierfür ist Sulamith.
Wer ist Sulamith?
Sulamith ist eine aufrichtige Frau, die das Herz des Königs sucht. Der König ehrt sie mit folgendem Bekenntnis: „Sechzig Königinnen sind es und achtzig Nebenfrauen und Mädchen ohne Zahl. Eine nur
ist meine Taube, meine Vollkommene. Sie ist die einzige ihrer Mutter, sie ist die Auserkorene ihrer Gebärerin. Sähen sie die Töchter, sie priesen sie glücklich, die Königinnen und Nebenfrauen,
sie rühmten sie ...“ (Hl 6,8-9). Die Königinnen und die Nebenfrauen repräsentieren jene Gläubigen, die verschiedenartig tiefe Beziehungen zu dem Herrn haben. Die Mädchen hier sind die jungen
Kinder Gottes, die zwar wiedergeboren sind, aber noch keine engere Beziehung zum Herrn haben. Doch unter ihnen allen findet sich schließlich eine, die sich von den anderen abhebt: Sie wird „die
Vollkommene“ genannt.
Weil die sulamithische Jungfrau diese Braut darstellt, repräsentiert sie dabei jene Gläubigen, die ausschließlich den Herrn selbst suchen. Ihnen geht es nicht um Seine mächtigen Taten, Segnungen
oder Gaben. Diese Braut will Ihn selbst haben! Ihr geht es wie Paulus, der mit allem, was er hatte, sich nach dem ausstreckte, was vor ihm lag. Er wollte das Ziel seiner Berufung, Christus,
unbedingt erreichen. Und dafür setzte er sein ganzes Leben ein: „Aber was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja wirklich, ich achte auch alles für
Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne“ (Phil
3,7-8). Ein Sportler mag für Pokale und Siege trainieren, doch wer zur Braut gehört, hat nur ein Ziel: Christus zu gewinnen. Um nichts anderes geht es, als um die unübertreffliche Größe der
Erkenntnis Christi Jesu. Für viele ist dies nur eine theoretische Formulierung. Doch für diejenigen, die in einem echten Liebesverhältnis zu Jesus stehen, ist es eine tägliche und tatsächliche
Erfahrung. Jesus sucht offenbar solche Menschen, mit denen Er Sein Herz teilen kann. Viele Seiner Absichten und Pläne will Er offen darlegen und verlangt hierzu aufrichtig nach Gemeinschaft mit
denen, die in eine reife Beziehung mit Ihm eintreten wollen, mit denen Er Sein Leben, Seine Kraft und Seinen Thron teilen kann. Mit anderen Worten: Er sucht nach einer Braut ¬¬– die eines Geistes
mit Ihm ist. Er sucht nicht nach solchen, die sich nur um ihr eigenes Leben sorgen, um ihre eigenen Segnungen oder um ihre edlen Bestrebungen, Großes für Gott tun zu wollen. Es gibt Menschen, die
große Dinge in Seinem Namen getan haben, Dämonen austrieben und Kranke heilten, und doch musste Er ihnen sagen: Ich kenne euch nicht!
So lesen wir in 2. Chr 16,9, dass die Augen des Herrn die ganze Erde
„... durchlaufen, um denen treu beizustehen, deren Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist.“ Genau dieses Anliegen war der ursprüngliche Gedanke Gottes, als Er Adam schuf, als Er ihm Herrschaft über
alle Werke Seiner Hände gab. Durch Sünde verlor Adam zwar diesen Platz der Gemeinschaft, heute sucht Gott erneut nach denen, die wieder zurück in diese ursprüngliche Beziehung zwischen Gott und
Adam eintreten wollen. Als Gott in der „Kühle des Tages“ (1Mo 3,8) mit Adam sprach, war es Jesus selbst, der Adam begegnete. Jesus Christus war die Manifestation Gottes im AT, die Stimme aus dem
brennenden Busch bei Mose, der Engel des Herrn, der Abraham begegnete, so wie der vierte Mann im Feuerofen Nebukadnezars. Dem Volk Gottes fehlt es in vielen Bereichen an Offenbarung und
Erkenntnis über die Dinge Gottes. Unsere intimsten Gedanken und Wünsche teilen wir allenfalls mit solchen Freunden, von denen wir überzeugt sind, dass wir ihnen vertrauen können. Jesus geht es
nicht anders. Wenn Seine Gedanken und Seine Weisheit aus Seinem tiefsten Wesen hervorgehen, sucht Er einen Menschen, der sich auf die Begegnung mit Ihm vorbereitet hat. Er sucht nach einer
Person, die nicht in erster Linie nur an den Gaben interessiert ist, sondern Ihn selbst sucht. Eine solche Person ist die Jungfrau Sulamith, Braut des Königs Salomo. Im Folgenden wollen wir sie
uns näher anschauen. Aber noch viel intensiver interessieren wir uns vor allem für ihren Freund, ihren Verlobten, Geliebten und Bräutigam, der für Christus steht.
Der bildhafte Stil des Buches
Das Hohelied ist ein Gedicht – eine dichterische Beschreibung unserer Freundschaft mit Gott. Das bedeutet, dass sich der Sinn dieses Liedes nicht allein mit Worten fassen lässt. Erst die Liebe,
die wir zum Bräutigam Christus empfinden, macht es überhaupt möglich, dass uns die Botschaft zwischen den Zeilen offenbart wird. Das große Thema dieses Gedichtes ist die Liebe: „Sein Banner über
mir ist Liebe“ (2,4). Worte wie „mein Geliebter“ (1,16; 2,3; 2,8) oder „meine Liebe“ (2,7; 3,5; 8,4) sind für diese einmalige Liebesbeziehung gerade richtig gewählt.
Das Hohelied Salomos ist in bildlicher und symbolischer Sprache geschrieben. Es ist als Ganzes gesehen eine Allegorie, die aus vielen Gleichnissen besteht. Eine Allegorie ist eine Geschichte, in
der Menschen, Gegenstände und Geschehnisse eine verborgene, symbolische Bedeutung haben. Sie fügt der wörtlichen Bedeutung der in einem Text verwandten Begriffe eine moralische oder
geistige/geistliche hinzu. Von der Genesis bis hin zur Offenbarung enthält die Bibel sowohl viele Gleichnisse als auch eine Vielzahl von Allegorien. Und wir wissen, dass Jesus selbst Tausende von
Allegorien in Form von Gleichnissen lehrte. Als die Jünger Ihn fragten, warum Er dies täte, antwortete er: „Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen ...“ (Mt
13,11)
In den Gleichnissen geht es also um Geheimnisse Gottes, um jene Dinge, die Jesus sehr wertvoll sind. Sie sind Ihm zu kostbar, als dass Er sie einfach so vor die Füße der Welt schmeißt. Nachdem
Jesus einmal die Volksmengen entlassen hatte, baten Ihn Seine Jünger: „Deute uns das Gleichnis vom Unkraut des Ackers!“ (Mt 13,36) Er erklärte es ihnen. Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind
die Söhne des Reiches. Das Unkraut sind die Söhne des Bösen. Der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel. Die Ernte ist die Vollendung des Zeitalters und die Schnitter sind Engel. Er nahm
natürliche Dinge und gab ihnen eine geistliche Bedeutung. Jesus liebte es, lebenden Pflanzen oder geschaffenen Dingen aus dieser Schöpfung einen geistlichen Wert zuordnen. So hat alles, was in
der Bibel in Form von Bildern ausgedrückt wird, auch eine korrespondierende geistliche Bedeutung. Ich persönlich finde das äußerst spannend.
Wie aber finden wir die rechte Bedeutung heraus? Eine große Hilfe habe ich in der Einhaltung der folgenden Reihenfolge empfunden: 1. Indem wir den Vater bitten, uns durch den Heiligen Geist die
Wahrheit zu offenbaren, und 2. indem wir uns auch darin üben, in der Bibel zu forschen – unter reichlicher Verwendung einer Bibelkonkordanz. Ja, unsere Bibeln sind dazu da, dass wir mit ihnen
arbeiten. Deine vielen Übersetzungen waren nie dazu bestimmt, im Regal zu verstauben. Jemand sagte einmal: Wenn alle unbenutzten Bibeln auf einmal hochgehoben würden, gäbe es wahrscheinlich einen
solchen Staubwirbel, dass man die Sonne für eine ganz Zeit nicht mehr sehen könnte. Deine Bibel sollte so individuell und persönlich aussehen wie eine alte Jeans. – Nicht zuletzt kommt noch ein
3. Punkt hinzu: Wir benötigen Geduld! Auch dieser Anteil ist sehr wichtig, denn Offenbarung kommt nicht per Mausklick. Das, was viele Christen leider nicht wissen, ist, dass die Bibel ein Lexikon
ist, das sich selbst definiert und auch interpretiert. Indem wir eine biblische, vollständige Konkordanz verwenden, alle Referenzen eines bestimmten Wortes nachschlagen und sie miteinander
vergleichen, gelangen wir leicht zur Bedeutung eines Begriffes. Entweder wird die Bedeutung klar ausformuliert, oder sie wird uns durch Offenbarung gegeben. Aber der aufrichtige Forscher wird die
Geheimnisse Gottes auf diesem Wege erkennen können.
Bei der Auslegung des Hohen Liedes sollten wir uns aber nicht selbst unter Druck setzen. Gibt es Gedanken Gottes, die wir nicht verstehen, so sind sind sie möglicherweise (noch) nicht für uns
bestimmt. Vielleicht können wir mit ihnen noch gar nicht umgehen. Es war schließlich kein geringerer als Mose, der einmal sagte: „Die Geheimnisse sind des Herrn, unseres Gottes, die geoffenbarten
Dinge aber sind für uns und unsere Kinder bestimmt ewiglich ...“ (5Mo 29,29; Schl.) Folglich wird es immer Geheimnisse geben, die nur der Herr selbst kennt.
Für den menschlichen Verstand sind die Geheimnisse Gottes eine Torheit, nicht aber für den Heiligen Geist. Paulus schrieb deshalb: „... der Geist ERFORSCHT alles, auch die Tiefen Gottes.“ (1Kor
2,10) Dies ist ein äußerst tiefgründiger Satz. Wenn der Heilige Geist eine Wahrheit erforscht hat, ist er sozusagen tiefer in das göttliche Wesen eingedrungen. Dies ist ein Bestandteil der
Gemeinschaft, die zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist abläuft. Manchmal sehen wir davon Bruchstücke, wenn uns diese Wahrheiten offenbart werden. So erzeugt das Wort Gottes neues
Leben in uns. Wir spüren regelrecht, wie Kraft in uns eindringt. – Beim Forschen arbeiten wir direkt mit dem Heiligen Geist zusammen. Beim Lesen der Bibel ist Er unser großer Helfer. Er befähigt
uns auch, Jos 1,8 in die Tat umzusetzen: „... FORSCHE darin Tag und Nacht ...“ (Schl.)
Die Einmaligkeit des Hohen Liedes
Das Hohelied ist das beste Lied, das der König Salomo je schrieb. Im ersten Buch der Könige lesen wir, dass er 1005 Lieder schrieb (1Kö 5,12). Doch dieses eine Lied war und ist das vornehmste
aller Lieder – die „crème de là crème“. Es ist vom ersten bis zum letzten Buchstaben vom Geist Gottes inspiriert. Das war nicht selbstverständlich und nicht bei allen Liedern Salomos der Fall. So
ist das Hohelied ohne Beispiel. Es ist das Lied der Lieder, in derselben Art und Weise, wie der heiligste Ort in der Stiftshütte „das Allerheiligste“ genannt wurde. Ebenfalls ist es das Lied der
Lieder in derselben Art und Weise, wie Jesus „der König aller Könige“ und „der Herr aller Herren“ ist.
Interessant ist die Positionierung: Im Buch vorher, dem Buch „Prediger“, finden wir eine Ausführung über die Nichtigkeit der Nichtigkeiten. Dort beschreibt Salomo, wie die Dinge „unter der
Sonne“ verlaufen, also in dem rein irdischen Leben, das ohne den Heiligen Geist geführt wird. Alles, wonach man in jenem Buch trachtet, ist der Vergänglichkeit unterworfen. Dort geht es um
materielle Dinge, natürliche Lebensweisheiten oder vorübergehende Beziehungen. Zwar ist nicht alles, was dort aufgezählt wird, in sich selbst schlecht, der Fokus ist jedoch ein ganz anderer. Im
Gegensatz hierzu finden wir im Hohen Lied Salomos das, was einen wahren Wert hat - demnach besitzt nur die Liebe Ewigkeitswert.
Der König wird als ein Bild für unseren Herrn Jesus Christus dargestellt, derjenige, der auferstanden ist und sich triumphierend auf Seinen Thron gesetzt hat. Die sulamithische Jungfrau ist
dagegen ein Bild für den Gläubigen, der nach einer tieferen Beziehung und Erfahrung mit Jesus verlangt. Das ganze Lied beginnt mit dem Suchen nach dieser Erfahrung. So sind es nicht die
Gelangweilten und Gesättigten, die sich mit der Braut identifizieren können, sondern die Suchenden.