7. Das Ziel des Glaubens

In diesem letzten Teil geht es um das Ziel unseres Glaubens. Der Apostel ringt förmlich nach Worten: Er spricht vom vollen Maß, dem VOLLMASS, illustriert mit dem Ergebnis eines Wachstumsprozesses, dem Vollmaß des WUCHSES, und vollendet mit dem, worum es letzten Endes überhaupt geht: die FÜLLE CHRISTI zu reflektieren. Nur sehr schwer können wir uns vorstellen, dass wir die Fülle Christi jemals besitzen werden. Grund dafür ist, dass wir übersehen, dass nur dem Leib Christi gemeinsam die Fülle Christi innewohnen wird, nicht jedoch einem isolierten Glied, so geistlich reif es auch erscheinen mag. In diesem postmodernen Zeitalter hat Gott damit begonnen, uns die Augen für ein Gemeindeverständnis zu öffnen, das vor allem jenseits unserer Gemeindemauern zu finden ist. Ist die Fülle Christi nicht gerade für unseren Alltag bestimmt?

Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten. Er gab Evangelisten, Hirten und Lehrer, damit sie die, die Gott geheiligt hat, zum Dienst ausrüsten und so der Leib des Christus aufgebaut wird mit dem Ziel, dass wir alle die Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes erreichen; dass wir zu mündigen Christen heranreifen und in die ganze Fülle hineinwachsen, die Christus in sich trägt. (Epheser 4,11-13)

 

Was ist die Fülle Christi?

Die Fülle Christi ist“ ist ein fest umschriebener, biblischer Begriff: „In ihm [Jesus] wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9), erklärt Paulus, und schickt dem voraus: „es gefiel der ganzen Fülle in ihm zu wohnen.“ (Kol 1,19) Johannes spricht davon, dass „wir alle“ „aus Seiner [Jesu] Fülle“ empfangen haben, und zwar „Gnade um Gnade“ (Joh 1,16. Die Betonung liegt auf WIR ALLE. Deshalb heißt es auch im Kolosserbrief: „Ihr [alle] seid in ihm ZUR FÜLLE gebracht.“ (Kol 2,10) Auch im Epheserbrief sieht Paulus die Fülle nur mit der ganzen Gemeinde in Verbindung stehen: „die sein Leib ist, die FÜLLE dessen, der alles in allem erfüllt.“ (Eph 1,23) In seinem Gebet für die Gemeinde ist es sein Anliegen, dass wir mit der Erkenntnis übersteigenden Liebe des Christus erfüllt werden, damit wir „erfüllt werden zur GANZEN FÜLLE Gottes.“ (Eph 3,19) Ob wir die Fülle erleben, ist also daran geknüpft, ob wir die Liebe Jesu erkennen und uns darin tatsächlich bewegen.

 

Das christliche Unternehmen vs. Gemeinde

Ich bin nicht gegen Mega-Kirchen oder Gemeindeprogramme. In ihnen gibt es Tausende guter Programme und Initiativen, die Gott benutzt, um kirchendistanzierten Menschen das Evangelium nahe zu bringen oder Gläubige zu ermutigen. Als ich vor einigen Monaten in Dallas eine sog. Mega-Church besuchte, kam der Geist Gottes auf mich, und sagte mir erneut: Auch hier bin ich zu finden, wie Du weißt. Dies musste ich hören, denn mehr und mehr sah ich in den letzten Jahren mehr Unterhaltungszentren für christliches Entertainment als Gemeinde-leben. Wenn Mitglieder nicht wirklich miteinander in authentischen Beziehungen leben, sondern Stuhlwärmer einer Konsumerkirche geworden sind, sollten wir eher von christlichem Kino sprechen, Theater oder Konferenzzentren. Diese Dinge sind so wie unsere sozialen Programme, Bibelschulen, Gebäude und positiven Einflüsse auf die Gesellschaft gut und richtig. Doch Gemeinde ist sicher etwas anderes. Gemeinde ist nicht der Ort, wo wir hinfahren, sondern dort, wo wir leben: in der Familie, auf der Arbeit, in der Freizeit, und natürlich auch – das brauche ich nicht zu sagen – in der Versammlung der Gläubigen. Schließlich erinnert der Hebräerbrief daran, dass wir unser „Zusammenkommen nicht versäumen“ (Heb 11,25) sollen. Der Gedanke wird in der Fußnote der Elberfelder Bibel mit „im Stich lassen“ gut wiedergegeben, was nicht die peinlich genaue Führung von Anwesenheitslisten meint, Mitglieds-pflichten oder die Aufbauarbeit eines modernen christlichen Unternehmens. Es soll um die Fülle Christi in der Gemeinde gehen. Dabei ist niemand wichtiger oder unwichtiger. Niemand soll in Stich gelassen werden! Der Geringste soll mit planen oder prophezeien, während der Klerus oder die Pastoren als Macher und Manager (inklusive Frauenpower) nicht wirklich nötig sind. Seitdem das Neue Testament von einem fünffältigen Leiterteam spricht, können wir bei der Führung einer Gemeinde die Fülle Christi nur in einem herzlich befreundeten Ältestenteam finden, nicht mehr in den einsamen Spitzen unternehmerisch geführter christlicher Organisationen. Doch auch wer prophezeit, muss aufpassen. Er darf sich nicht als der alleinige Gemeindeprophet verstehen, sondern es sollen „zwei oder drei reden, und die anderen sollen urteilen“ (1Kor 14,29). Alle sind beteiligt, so dass die Fülle Christi mit einer solchen Wucht hereinfegt, dass „wenn ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkommt, er von ALLEN überführt wird“. (1Kor 14,24) Der Schlüssel liegt hier in der Einheit des Leibes. Diese Fülle nehmen wir auch mit an den Arbeitsort, wo Gott uns hingestellt hat.

 

Die Fülle Christi auf der Arbeitsstelle

Abraham wird der Vater des Glaubens genannt, sowohl für Juden wie auch gläubige Nichtjuden. Ob man wohl eine höhere Auszeichnung erlangen kann? In welcher Rolle erreichte Abraham diese Anerkennung bei Gott? Er erreichte diese Stufe, während er als wandernder Landwirt, Geschäftsmann, Grundstücks-verwalter und Investor in Silber und Goldanlagen tätig war. Abraham arbeitete viel, doch die Arbeit hielt ihn nicht davon ab, die Fülle Gottes zu erleben, so wie Joseph, Mose, Daniel und viele andere Gottesmänner sie in ihrem beruflichen Umfeld erlebten. Joseph, der in einer unvergleichlichen Managerposition für die globale Getreideversorgung zuständig war, Mose, der als akademischer Nomade die Herden seines Schwiegervaters führte und schließlich als nationaler, politischer Leiter wirkte, und Daniel, der sich in Babylon sicher nicht in einer idealen Umgebung befand, doch wegen seines korrekten Lebenswandels und seiner Klugheit geachtet wurde, übte Regierungsfunktionen aus. Keiner von diesen Leuten war offizieller Priester, Levit oder Pastor, und sie wurden nicht mit Spenden bezahlt. Doch Gott veränderte durch diese arbeitenden Menschen den Geschichtsverlauf der Menschheit. Er tat dies, indem er ihre Arbeitsumgebung nutzte, um sie geistlich auszubilden und sie zu formen. Gott liebt unsere Arbeit und er benutzt sie als sein Werkzeug! In Hebräer 11, das Kapitel, in dem die Glaubenshelden der jüdischen Geschichte vorgestellt werden, waren sechszehn der siebzehn erwähnten Männer und Frauen berufstätig. Das sollte uns nicht nur inspirieren, sondern auch freisetzen! Denn unsere Berufstätigkeit ist nicht dazu da,

  • um (nur) Spenden für die Gemeinde zu erarbeiten;
  • um uns mit einem „Zeltmacher“-Job die Möglichkeiten zu eröffnen, einen geistlichen Dienst ausführen zu können;
  • um reich zu werden;
  • um uns persönliche Erfüllung zu ermöglichen;
  • um uns für den Tag unseres Dienstes oder der geistlichen Leiterschaft auszubilden.

Einige dieser Dinge folgen von ganz allein, doch sie sind nicht der eigentliche Sinn unserer Arbeit. Mit unserer beruflichen Tätigkeit agieren wir, geschaffen im Ebenbild Gottes, genau im Zentrum der Schöpfungsordnung. Auch Gott arbeitet! Er schuf bzw. erarbeitete die Himmel und die Erde, so dass er am siebenten Tag ruhte. Im Buch der Apostelgeschichte lesen wir, dass mindestens sechs der zwölf Apostel teilzeitlich oder ganz berufstätig waren. Sie zogen keine Grenzlinie zwischen ihrer geistlichen und säkularen Tätigkeit. Und Paulus benutzt für seine Berufstätigkeit und seinen geistlichen Dienst dasselbe Wort „arbeiten“, so dass es nicht immer leicht ist, zwischen beiden Tätigkeiten zu unterscheiden (1Kor 4,12; Kol 3,23; 1Thes 2,9; 2Thes 3,8). In 1 Thes 4,11 finden wir sogar ein Gebot zur praktischen Arbeit: „... mit euren Händen zu arbeiten, so wie wir euch geboten haben.“ Dann zerschlägt er in Gal 3,28 schließlich die christliche Kaste endgültig, indem er lehrt: In Christus „ist nicht Sklave noch Freier“, was heute soviel bedeutet, wie: In Christus ist weder Vollzeit- noch Teilzeitdienst, weil jede Tätigkeit für den Herrn ausgeführt werden soll. Die Fülle Christi kommt, wenn wir unsere Hausarbeit nicht geringer schätzen als die Mitarbeit im Gemeindeprogramm oder die Mitarbeiter, die (noch) auf der Gehaltsliste der Gemeinde stehen, nicht höher bewerten als diejenigen, die es nicht tun.

 

Macht man sich klar, dass es nicht um ein wenig mehr an Fülle Christi geht, sondern um Sein volles Maß, dann wird uns klar, wie radikal unser Umdenken über Gemeinde sein muss – eine Gemeinde, die sich immer mehr in Cafés, Häusern, in der Schule oder am Strand trifft – jedoch nicht kontrolliert und gesteuert, und dennoch nicht ohne Führung. Wie dies aussehen kann, werden wir uns in unserer nächsten Lehrserie anschauen, einfach um zu verstehen, was Gott derzeit tut. Es ist eine spannende Zeit!

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