Es gibt viele Menschen, die Jesus als Retter, Ratgeber und Heiler kennen gelernt haben – als eine Quelle, von der ihre Segnungen ausgehen. Diese Art der Erkenntnis des Sohnes Gottes steht meistens am Anfang unseres Entwicklungsprozesses. Jesus erklärte: „Ihr sucht mich, ... weil ihr von den Broten gegessen habt und gesättigt worden seid (-> Speisung der 5000).“ Doch er war darum bemüht, dass wir ihn nicht nur auf dieser materiellen Ebene erfahren: „Wirket nicht für die Speise, die vergeht, sondern für die Speise, die da bleibt ins ewige Leben, die der Sohn des Menschen euch geben wird! Denn diesen hat der Vater, Gott, BEGLAUBIGT!“ (Joh 6,26-27) Mit anderen Worten: Erkennet den beglaubigten Sohn Gottes, indem ihr euch für die richtige Speise einsetzt! Was genau ist es, was wir an Jesus entdecken sollen? Und was ist das für eine Nahrung, die mit der Erkenntnis des Sohnes Gottes kommt? In unserem geistlichen Wachstumsprozess sind Antworten auf diese Fragen lebensnotwendig.
Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten. Er gab Evangelisten, Hirten und Lehrer, damit sie die, die Gott geheiligt hat, zum Dienst ausrüsten und so der Leib des Christus aufgebaut wird mit dem Ziel, dass wir alle die Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes erreichen; dass wir zu mündigen Christen heranreifen und in die ganze Fülle hineinwachsen, die Christus in sich trägt. (Epheser 4,11-13)
Einheit
Die Einheit, die Gott uns schenkt, ist ein Ziel – ein gottgegebenes Ziel. Sie unterscheidet sich stark von politischer oder religiöser Einheit. Sie hat nichts mit der Einheit der Religionen zu tun. In Hamburg gibt es 66 offizielle Moscheen, in Wirklichkeit dürften es weit mehr sein. Es gibt Leute, die dies für einen Fortschritt halten, für den Ausdruck einer zunehmenden Einheit der Religionen. Diejenigen, die auf die Einheit der christlichen Ökumene setzen, sprechen von der viel beschworenen „Einheit in Vielfalt“. Und wieder andere können sich Einheit gar nur mit denen vorstellen können, dir ihre Kirchenzugehörigkeit teilen oder ihr Glaubensbekenntnis unterschreiben. Doch welches Glaubensbekenntnis sollte es denn sein, das apostolische in der lateinischen oder deutschen Fassung? Das Nicänische oder Athanasianische Bekenntnis?
Kehren wir besser zurück zum Bibeltext in Epheser 4,11ff. Er macht eine Aufzählung von Vorbedingungen und erst dann sagt er: „… bis wir alle hingelangen zur Einheit“. Damit präsentiert er Einheit als ein Resultat, als Folge von etwas: sie entsteht aus dem Dienst und der Ermutigung untereinander und hat immer die Erkenntnis des Sohnes Gottes zur Folge. Das bedeutet erstens, dass ohne Jesus wahre geistliche Einheit gar nicht möglich ist, und zweitens, dass sie nicht von „oben“, von einem Kirchenoberhaupt oder einem Gremium übergestülpt werden kann. Ganz im Gegenteil: sie wächst von unten heran, von der Basis, dem Leib Christi, der Gemeinde, wenn ALLE mitmachen.
Ohne Jesus gibt es keine Einheit
Jesus ist die Quelle der Einheit. Als er in Joh 17,22 betete, sagte er: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, dass sie eins seien, wie wir eins sind.“ Diesen Vers muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Jesus sagt, dass er uns etwas gegeben hat, das die Einheit ermöglicht. Er nennt es Herrlichkeit. Was immer dies auch sein mag, auf jeden Fall enthält es einen geistlichen Klebstoff, der die Menschen zusammenhält. Abgesehen davon, dass ich diesen Vers mit meiner Frau zusammen als Trauvers aussuchte, und er hat uns tatsächlich schon seit 1992 verbunden, liegt in ihm nicht nur das Geheimnis für den Zusammenhalt einer Ehe, sondern auch für die ganze Gemeinde. Denn der Stoff, der für die Ehe gut ist, kann auch der Gemeinde nicht schaden. Oder anders formuliert: Die Qualität einer Gemeinde wird niemals über die Qualität der dort vertretenen Ehen hinaus steigen. Ein Grund, warum die Scheidungsrate in den meisten westlichen Gemeinden genau so hoch ist, wie in der übrigen Gesellschaft, liegt darin, dass man den oben erwähnten Klebstoff „Herrlichkeit“ nicht verstanden hat. Was ist das für ein Stoff?
Interessanterweise wird er immer in Verbindung mit Leiden gebracht. Jesus sagte: „Musste nicht der Christus dies LEIDEN und in seine HERRLICHKEIT hineingehen?“ (Lk 24,26) Paulus erklärte: Wir sind Gottes Kinder, ja „Miterben Christi, wenn wir wirklich mitLEIDEN, damit wir auch mitVERHERRLICHT werden.“ (Röm 8,17) Es liegt auf der Hand, dass Einheit auch einen Preis hat. Manchmal geht es einfach darum, Menschen nicht aufzugeben und ihre launischen Allüren zu ertragen. Doch geistliche Einheit hat einen hohen Wert. Alles, was einen Wert hat, besitzt auch einen Preis. Einerseits hat Jesus den Preis für uns alle am Kreuz bezahlt. Andererseits liegt der Zugang hierzu darin, dass wir „mitLEIDEN, damit wir auch mitVERHERRLICHT werden“. Was bedeutet das? Als Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg mit Jesus mitverherrlicht wurden, standen sie in der manifestierten Gegenwart Jesu. Sie sahen Jesus als denjenigen, der er wirklich war. Sein Angesicht leuchtete und sie erkannten ihn als Sohn Gottes. Dies ist genau das, was wir mit Jesus-Zentriertheit meinen: die manifestierte Gegenwart Jesu. Das ist eine ganz andere Ebene, als diejenige, auf der wir uns nur über den historischen Jesus unterhalten oder unsere Lehrmeinungen austauschen. Wenn Jesus seine Herrlichkeit manifestiert, sagen wir überhaupt nichts mehr. Dann verstummen wir wie die Hohenpriester des Alten Testamentes im Allerheiligsten. Dank sei Gott, dass der Weg hierzu für uns alle frei ist. Wir müssen ihn nur wirklich gehen wollen. Ob wir bereit sind, den Preis zu zahlen? Ob wir das Opfer der Liebe für unseren Nächsten aufbringen?
Einheit des Glaubens wächst von unten nach oben
Immer wieder gibt es den Versuch, die Einheit der Gemeinde durch eine starke Leiterfigur zu bewirken. Viele sehen in einer Schlüsselfigur das allein selig machende Geheimnis. Das kann für sie ein charismatischer Pastor oder ein besonders begabter Seelsorger sein, der die Herde zusammenhalten soll. Weil der Fisch bekanntlich immer am Kopf zu stinken anfängt, muss dieses beliebte Bild dafür herhalten, dass der Leiter ersetzt werden muss. Häufig hat der Erwartungsdruck viele dazu getrieben, sich selbst zu verkaufen. Sie sind ja schließlich dafür eingestellt worden, Programme zum Laufen zu bringen. Je besser sie gemanagt sind, desto mehr Leute werden partizipieren, glaubt man. Doch ein solcher Leiter ist kein großartiger Pastor, sondern bestenfalls ein begnadeter Manager. Die Gemeinde wird zur Konsumgemeinde erzogen, wobei diejenigen, die nicht regelmäßig an den vielseitigen Programmen teilnehmen, ein schlechtes Gewissen haben. Nicht Jesus bewirkt es, sondern die Programme. Es liegt auf der Hand: Eine solche programmorientierte Gemeinde bringt keine wirkliche Einheit hervor.
Im Alten Testament standen die Leiter als Könige, Priester und Propheten isoliert vom Volk, während im Neuen Testament dieses Leitermodell aufgelöst wird. Der Grund: Es gibt nur ein Haupt der Gemeinde, Christus; alle anderen sind Teil Seines Leibes. Selbst wenn Leiterschaft nur im Plural, als ein Team von Ältesten verstanden wird, ist diese Gruppe nicht isoliert oder als ein eigenständiger klerikaler Zirkel für sich zu verstehen. Es gibt keine herausgerissenen Ämter mehr; sie sind schlichtweg Bestandteil der Gemeinde, wie alle anderen Glieder auch. Es gibt keine hierarchischen Unterschiede zwischen ihnen, weder zwischen arm noch reich, gebildet noch ungebildet, erfahren noch unerfahren. Einheit setzt voraus, dass einer den anderen ermutigt und Leiter in dem Bewusstsein leben, dass auch sie ergänzungsbedürftig sind. Bei aller Notwendigkeit an Führungen und der in Freiheit agierenden Leitern erfordert dies ein hohes Maß an Demut, damit niemand etwas „aus Eigennutz oder eitler Ruhmsucht tut, sondern dass in der Demut einer den anderen höher achtet als sich selbst; ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern ein jeder auch auf das der anderen. Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war.“ (Phil 2,3-5)